Praxisnahe Forschung fĂŒr wissensbasierte Gleitschliffprozesse

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Innovative Lösungen sind die treibende Kraft fĂŒr kontinuierliche Wertschöpfung. Dass die Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Industrie dabei eine wichtige Rolle spielt, zeigt die Kooperation des Forschungsbereichs Technologieplanung und Schleiftechnik am Werkzeugmaschinenlabor WZL der RWTH Aachen und der Rösler OberflĂ€chentechnik GmbH im Bereich Gleitschlifftechnik seit rund zehn Jahren.

Die RWTH Aachen ist eine der elf deutschen „ExzellenzuniversitĂ€ten“ und zĂ€hlt im Bereich der technischen und naturwissenschaftlichen Disziplinen zu den renommiertesten Hochschulen und Forschungseinrichtungen. Das Werkzeugmaschinenlabor, eines der grĂ¶ĂŸten und Ă€ltesten Institute der RWTH Aachen, steht auf dem Gebiet der Produktionstechnik seit Jahrzehnten weltweit fĂŒr zukunftsweisende Forschung. Erfolgsfaktor dafĂŒr ist die enge Zusammenarbeit der vier LehrstĂŒhle Fertigungsmesstechnik und QualitĂ€tsmanagement, Produktionssystematik, Technologie der Fertigungsverfahren und Werkzeugmaschinen sowie eine ausgewogene Mischung von Grundlagen- und anwendungsbezogener Forschung. „Durch die Kooperation mit unterschiedlichsten Industrieunternehmen stellen wir sicher, dass die Forschungsvorhaben einen hohen Praxisbezug haben und Ergebnisse schnell in das betriebliche Umfeld ĂŒberfĂŒhrt werden können“, berichtet Marius Ohlert, Projektleiter Schleiftechnik aus dem Bereich Technologieplanung und Schleiftechnik, der in den Lehrstuhl Technologie der Fertigungsverfahren integriert ist.

Forschungsgebiet Gleitschlifftechnik
Die Gleitschlifftechnik ist ein in der Industrie weit verbreitetes Fertigungsverfahren, das fĂŒr unterschiedliche Aufgabenstellungen in der OberflĂ€chenbearbeitung wie Entgraten, Kantenverrunden, Polieren, GlĂ€tten, Entzundern und Entrosten eingesetzt wird. Trotz dieser großen Bedeutung erfolgt die Auslegung der Prozesse meist erfahrungsbasiert. „Mit unserer Grundlagenforschung wollen wir beispielsweise eine stĂ€rkere wissensbasierte Prozessauslegung ermöglichen, damit diese schneller, effizienter und zielgerichteter erfolgen kann. DafĂŒr untersuchen wir die Wirkmechanismen der verschiedenen Gleitschliffverfahren“, benennt der Projektleiter beim WZL, Marius Ohlert, ein Forschungsziel. Bei anwendungsbezogenen Aufgabenstellungen geht es einerseits darum, bestehende Gleitschliffprozesse fĂŒr eine verbesserte BauteilqualitĂ€t zu optimieren. Andererseits sind fĂŒr WerkstĂŒcke aus innovativen Werkstoffen, beispielsweise faserverstĂ€rkte Keramiken, die sich teilweise noch in der Entwicklung befinden, sowie in neuen Fertigungstechnologien hergestellte Komponenten Schleifprozesse zu entwickeln.
FĂŒr die erforderlichen Versuche nutzt das WZL neben eigenen BearbeitungskapazitĂ€ten auch das Customer Experience Center der Rösler OberflĂ€chentechnik GmbH, das mit Anlagen fĂŒr alle Verfahrensvarianten der Gleitschlifftechnik ausgestattet ist. Der Hersteller von Gleitschliffanlagen sowie Verfahrensmitteln und das WZL sind vor rund zehn Jahren eine strategische Allianz eingegangen. „Mit Rösler haben wir in diesem Bereich einen Partner, der selbst eine hohe Motivation hat, die Gleitschlifftechnik weiterzuentwickeln, und das auch in Kooperation mit uns. Wir tauschen uns dafĂŒr regelmĂ€ĂŸig mit der Forschungs- und Entwicklungsabteilung des Unternehmens aus. Aus diesem Abgleich zwischen dem Stand der Technik in der Wissenschaft und in der industriellen Praxis ergeben sich nicht selten Fragestellungen und AnsĂ€tze fĂŒr zukĂŒnftige Projekte“, konkretisiert Marius Ohlert.

3D-Druck treibt Invest in neue Bearbeitungsmöglichkeiten
Dazu zĂ€hlen beispielsweise Aufgabenstellungen, die sich mit der Nachbearbeitung additiv gefertigter und in hybriden Fertigungstechnologien hergestellter Komponenten unter anderem aus der Luftfahrt, Automobilindustrie, Medizintechnik und der Werkzeugfertigung ergeben. „Die hohe Gestaltungsfreiheit der additiven Fertigung ermöglicht Bauteile, die mit konventionellen Fertigungstechnologien nicht realisierbar sind. Bei der Nachbearbeitung dieser komplexen Komponenten ist die Gleitschlifftechnik, beispielsweise im Vergleich zu klassischen spanenden Verfahren, hervorragend geeignet. Die aktuellen AktivitĂ€ten von Rösler unter der Marke AM Solutions-3D post processing technology sind hier in der Zusammenarbeit mit dem WZL besonders wertvoll und waren auch ein Treiber fĂŒr die Investition in zwei neue Bearbeitungsanlagen von Rösler, die wir gemeinsam mit den Kollegen aus einem Partnerinstitut beschafft haben, das sich stark mit der additiven Fertigung beschĂ€ftigt“, berichtet der Projektleiter. DarĂŒber hinaus bestand die Anforderung, ein deutlich grĂ¶ĂŸeres Anwendungsspektrum der Gleitschlifftechnik fĂŒr die Grundlagenforschung und anwendungsbezogene Projekte aus der Industrie direkt im WZL abbilden zu können. Die Entscheidung fiel auf den Surf-Finisher 700 und einer domlosen Spezial-Vibrationsanlage R 150 DL-2 sowie eine halbautomatische Zentrifuge Z 800 K-HA Turbo-Floc fĂŒr die Prozesswasseraufbereitung.

Modernste Technik fĂŒr optimale Prozessentwicklung
Beim Surf-Finisher handelt es sich um eine Gleitschliffanlage fĂŒr die automatisierte, hochprĂ€zise selektive oder ganzflĂ€chige Einzelteilbearbeitung von WerkstĂŒcken in einem Nass- oder Trockenprozess. Das Plug-and-Play-System verfĂŒgt dafĂŒr ĂŒber einen integrierten Roboter, der das WerkstĂŒck in dem mit Schleifmedium gefĂŒllten, drehenden ArbeitsbehĂ€lter fĂŒhrt beziehungsweise es darin computergesteuert entsprechend einem vorab gespeicherten Programm bewegt. Dies ermöglicht, Bauteile sehr einfach mit einem individuell programmierten Prozess zu bearbeiten.
In der Spezial-Vibrationsanlage können komplexe Bearbeitungsaufgaben wie das Schleifen, GlĂ€tten oder Hochglanzpolieren von anspruchsvollen Geometrien erfolgen. Die Bauteile werden in teilespezifischen Halterungen fixiert und die gesamte Aufnahmeeinheit im BehĂ€lter der Spezialanlage befestigt. Der BehĂ€lter wird mittels Unwuchtmotoren in Schwingung versetzt, wodurch die fixierten Teile vibrieren. Dies wiederum ermöglicht, dass das Bearbeitungsmedium Konturen, KanĂ€le und Hinterschneidungen der WerkstĂŒcke wĂ€hrend der gesamten Bearbeitungszeit gleichmĂ€ĂŸig durchströmt.
Die fĂŒr beide Gleitschliffanlagen notwendige, gleichbleibende ProzesswasserqualitĂ€t wird durch die neue halbautomatische Zentrifuge zur Wasseraufbereitung sichergestellt, was vor allem unter Umwelt- und Nachhaltigkeitsaspekten vorteilhaft ist.

Maximale FlexibilitÀt durch austauschbare ArbeitsbehÀlter
Den Wunsch des WZL, die neuen Anlagen sehr flexibel nutzen zu können, erfĂŒllte Rösler durch die Möglichkeit, die ArbeitsbehĂ€lter des Surf-Finishers und der domlosen Spezial- Vibrationsanlage einfach austauschen zu können. Denn fĂŒr das Bearbeitungsergebnis spielt die Handhabung der WerkstĂŒcke eine ebenso große Rolle wie die Auswahl und Kinematik der Schleifkörper im BehĂ€lter. „FĂŒr unsere Untersuchungen ist es wichtig, sowohl die Anregung der Schleifkörper als auch die Teilehandhabung, sei es bewegt durch den Roboter, fixiert in einer Aufnahme oder lose, variieren zu können. Parallel dazu variieren wir auch die Schleifkörperspezifikationen gezielt. Dabei kommt uns entgegen, dass Rösler die Verfahrensmittel ebenfalls selbst entwickelt und produziert, sodass wir hier auf das gesamte Spektrum keramischer und kunststoffgebundener Schleifkörper zurĂŒckgreifen können“, erklĂ€rt Marius Ohlert.
Sowohl Untersuchungen zur StabilitĂ€t und Reproduzierbarkeit von Gleitschliffprozessen als auch der verstĂ€rkte Einsatz der neuen Anlagen fĂŒr die Nachbearbeitung additiv gefertigter Bauteile machen umfangreichere Testreihen mit höheren StĂŒckzahlen erforderlich. Diesen Herausforderungen stellen sich Rösler und das WZL der RWTH Aachen gemeinsam, um den Gleitschliffanforderungen von morgen bestens gewappnet zu sein.